In diesem Blogbeitrag mochte ich zeigen, wie sich Beziehungsstress und Traumata auf das Gehirn auswirken können. Die Erkenntnisse der Neurobiologie geben uns die Möglichkeit, einander besser zu verstehen!
Beginnen möchte ich mit einem Beispiel aus der Praxis:Nach dem Erstgespräch sagte Sarah: „Es tat so gut. Wir haben uns endlich mal wieder ausreden lassen!“
Ich bin für diese Rückmeldung sehr dankbar. Es deutet auf einen entscheidenden Aspekt hin:
Wir brauchen eine gewisse Sicherheit, dass der andere uns wirklich zuhören wird!
Wenn wir einander zuhören, zeigen wir, dass
wir den anderen verstehen wollen,
ihn hören,
für einander da sind,
uns interessieren, ja,
dass genügend Raum vorhanden ist, um sich mitfühlend zu begegnen.
Wie unser Gehirn durch Beziehungsstress beeinflusst wird
Dies kann anfangs sehr schwierig werden, da das jeweilige negative Beziehungsmuster durch bestimmte Verhaltensweisen in Gang gesetzt werden kann: z. B. durch Augenrollen, Mimik, Gesten, Ausdrücke, Gerüche.
Sensorische Signale also, die bestimmte Teile in unserem Gehirn aktivieren.
„Ich habe das so nie gesagt“, schüttelte Felix den Kopf.
„Und warum fängst du immer wieder mit diesem Thema an“, unterbrach Sarah scharf.
„Es stimmt nicht. Ich habe nicht damit angefangen“, konterte Felix, der seine Augen schloss.
„Ich will, dass du einfach siehst, was ich alles durchgemacht habe“, schrie Sarah und winkte mit der rechten Hand ab.
Unser Bindungssystem registriert jene Momente, in denen wir das Gefühl haben, dass die Verbindung zu unserem geliebten Menschen gestört ist.
Ein Teil von unserem Gehirn kann gar nicht anders, als auf der Hut zu sein. Alte Bindungsverletzungen, unsere empfindlichen Punkte, die in Konflikt -und Stresssituationen gereizt werden können, kommen hinzu.
Der amerikanische Psychiater Bruce Perry zeigt eindrücklich, wie sich Stress und Traumata auf das Gehirn auswirken können: sensorische Reize wie Sehen, Hören, Tasten und Riechen werden zunächst von den unteren Bereichen unseres Gehirns verarbeitet.
Im Hirnstamm werden diese Reize mit unseren Erfahrungen abgeglichen. Um uns vor schmerzlichen Situationen zu schützen ist das Gehirn so organisiert, dass wir handeln und fühlen, bevor wir denken.
Das Gehirn verarbeitet Informationen von unten nach oben. Hirnstamm, Zwischenhirn, limbisches System und Cortex:
Jeder Reiz kann somit eine schmerzliche bzw. traumatische Erinnerung ins Hier und Jetzt katapultieren. Wir gehen in eine Schutzhaltung, indem wir kämpfen, erstarren oder flüchten. Reaktive Emotionen wie defensive Wut sind zu spüren.
Wie Emotionsfokussierte Paartherapie helfen kann
Die geschlossenen Augen von Felix, der Tonfall und die Handbewegung von Sarah, diese Reize können daher in bestimmten Situationen als negative Bindungssignale wahrgenommen werden, die den Beziehungstanz auslösen.
Emotionsfokussierte Paartherapie muss daher zuallererst eine sichere Atmosphäre schaffen, indem das individuelle Erleben der Partner gewürdigt, normalisiert und durch die Bindungsbrille betrachtet wird:
„Natürlich fällt es Ihnen schwer, einander zuzuhören, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie vom anderen nicht wahrgenommen werden. Das frustriert und tut weh, und so unterbrechen Sie sich gegenseitig, in der Hoffnung, den anderen doch noch irgendwie zu erreichen.“
7 Fragen, um einander besser zu verstehen
Wir verlangsamen daher in der Paartherapie schwierige Momente fehlender Verbundenheit, um ein Gespür dafür zu entwickeln, wie wir uns gegenseitig emotional beeinflussen:
Was sind die Auslöser?
Wie reagiere ich darauf?
Wie beeinflusse ich dadurch den anderen?
Was denke ich über mich und den anderen?
Welche Gefühle kommen in mir hoch?
Was spüre ich in meinem Körper?
Was empfinde ich auf einer tieferen Ebene (Angst, Traurigkeit, Schmerz)?
Wenn es uns gelingt, unsere Schritte im negativen Beziehungstanz nachzuspüren und die darunter liegenden verletzlichen Gefühle auszudrücken, haben wir die Chance, einander wirklich zu begegnen.
Viele Paare, die zu mir kommen, geben an, dass sie sich nach Wertschätzung, Stabilität, Respekt, Glück, Verständnis, Vertrauen und Nähe sehnen.
Ja, das sind sehr wichtige Ziele! Bedenke jedoch, dass diese wertvollen Begriffe sehr abstrakt wirken können, wenn die emotionale Verbundenheit geschwächt ist oder fehlt.
Der Wunsch nach effektiven Kommunikationstechniken ist nachvollziehbar. Wir fühlen uns sicherer, wenn wir z. B. die Regel beachten, den anderen ausreden zu lassen.
Ich glaube jedoch nicht, dass wir durch das Einüben von Gesprächsregeln, letztlich lernen, uns sicher zu verbinden.
Veränderung geschieht immer dann, wenn wir emotional beteiligt sind und neue, korrigierende Erfahrungen machen: ich spüre meine Angst, von dir nicht akzeptiert zu werden, wende mich dir mutig zu und erlebe, dass du für mich da bist …