Teil 1: „Das Liebesexperiment“
Klara und Gabriel schätzen sich sehr. Nur, sie mögen nun mal keine Liebesfilme, Liebeslieder, Liebesgedichte, Liebesgeschichten, Liebessprüche, Liebeszitate, Liebesbriefe… Was kein Beweis ist.
Vielleicht ist es doch Liebe. Es gibt viele Dinge, die sie lieben. Am Wochenende bis nachmittags im Bett liegen. Überhaupt, Frühstück im Bett. Eine Delikatesse. Mit Rühreier und Speck. Oder Weihnachten zu zweit, was selten möglich ist. Oder der Sommerurlaub in der Toskana der Eifel.
Wenn Klara ungeduldig wird, nennt sie Gabriel schon mal Gabi. Genau, einmal im Schwimmbad. Oder letzten Sonntag, als es keine Aufbackbrötchen gab. Gabriel kauft gerne samstags ein. Schön in Ruhe. Klara liegt dann in ihrem Arbeitszimmer auf der Couch.
„Gabi.“ Doch, doch, sie sagt es beinahe liebevoll. Trotzdem ärgert sich Gabriel im Stillen. Nicht, weil es ein Mädchenname ist. Nein, wegen diesem Unterton. Gabriel ist fast 2 Meter groß, etwas untersetzt und hat einen kleinen Ziegenbart. Gabriel meint, er habe ADHS. Dessen sei er sicher. Eine Diagnose brauche er nicht. Das wäre verlorene Liebesmüh.
„Hast du einen Termin gemacht?“, sagt Klara hin und wieder. Zusammen mit diesem Unterton gibt es nichts, was ihn mehr abtörnt. Und dann wundern sich beide, wenn der Abend gelaufen ist.
Streng genommen läuft seit 27 Monaten und 12 Tagen nicht mehr viel. Exakt. Das könnte an den Nachbarn liegen. Frau und Herrn Schmidtke. Oder an der gemeinsamen Wohnung, die sehr hellhörig ist. Klara und Gabriel wohnen seit drei Jahren in der Melchoirstraße. Die gemeinsame Wohnung hat einiges durcheinander gebracht.
Gabriel ist Musiklehrer in Troisdorf. Ein Glück, denn in der Melchoirstraße braucht er nur einmal kurz in sein Saxophon zu blasen, und Herr oder Frau Schmidtke stehen prompt auf der Matte.
Der Sohn von Herrn und Frau Schmitke heißt Paul. Manchmal knallt Paul oben in der 5. Etage die Türen, während Frau Schmitdke auf ihn laut einredet. Hausaufgaben oder den Müll runterbringen, darum geht’s wohl immer.
Kinder sind schon ein Thema, und dann wieder auch nicht. Gabriel sagt, er wolle einen ganzen Stall voll haben. Klara meint, sie sei dafür schon zu alt.
Was Klara und Gabriel fehlt, ist die nötige Würze in ihrer Beziehungssuppe. Da sind sich beide einig. Es ist die Suche nach einem gemeinsamen Weg, den sie irgendwie scheinbar verloren haben.
Und was sie da nicht schon alles unternommen haben! Mal entdeckt Gabriel einen interessanten Ratgeber, und beide versuchen die Tipps gemeinsam im Alltag umzusetzen. Dann hat Klara die Idee, dass Lindy Hop mehr Schwung in ihre Beziehung bringen könnte, und beide sind voller Elan auf der Tanzfläche.
Gabriel vergleicht die Beziehung gerne mit einem Liebesexperiment. „Wenn unser Experiment scheitert“, sagt Klara manchmal im Streit, „will ich aber, dass wir wenigstens Freunde bleiben.“
„Das sind ja tolle Aussichten“, erwidert Gabriel dann leicht gekränkt. Vielleicht ist es doch Liebe.
Was letztlich unterm Strich dabei herauskommt, will Klara in Zukunft auf alle Fälle festhalten. Abends im Bett, als Gabriel noch im Wohnzimmer herumrödelt, kommt sie zu dem Schluss:
Liebe ist, wenn wir uns auf die Suche nach einem gemeinsamen Weg begeben.
Die kleinen Geschichten von Klara und Gabriel habe ich geschrieben, weil ich von all den Paaren beeindruckt bin, die sehr viel unternehmen, sehr kreativ und mutig sind, damit sie sich in ihrer Partnerschaft wohl und glücklich fühlen.
Dies geschieht meist bevor sich die Paare Unterstützung von außen holen.
Fortsetzung folgt.